Reisehinweise für den Sommer 2022
Aus Anlass des bevorstehenden dritten Sommers in Folge „mit Maßnahmen“ und der sehr unübersichtlichen Verordnungslage eine Ermutigung:
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Reisen Sie! Reisen bildet!
Dies gilt heute mehr denn je. Selbst zu erfahren, wie es andere Länder mit den Corona-Maßnahmen halten, ist mindestens lehrreich und ungemein erleichternd, wenn nicht sogar wohltuend!
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Es geht nämlich auch anders als in Deutschland.
Hier ein paar Hinweise zum Reisen, die ich den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes entgegenstelle. Denn Reisen ist nicht nur wichtig, es ist auch durchaus möglich.
Dieser Text erscheint im aktuellen Newsletter von Wir sind Immun.
Den Teil unten mit dem Fernweh gibt es nur hier.
Die Zeitung DIE WELT greift das Thema (hinter einer Paywall) auch auf:
(Wegen der Paywall folgen im Text ein paar Zitate aus dem Zeitungs-Artikel)
Die Befristung hatte ich auch gar nicht erst in den Artikel aufgenommen — als ob die auslaufen gelassen würde…
Dieser Text bezieht sich auf die Webseite „Informationen zu Einreise-beschränkungen, Test- und Quarantänepflicht in Deutschland“ der Bundesregierung, und stellt die dortigen Aussagen (die alle richtig, aber tendentiös sind) in Relation zu den tatsächlichen Bedingungen einer Reise.
Es geht hier nur um die Einreise, also die Rückkehr nach Deutschland. Die Ausreise, also das Verreisen in andere Länder ist so unterschiedlich geregelt, dass dies den Rahmen hier sprengen würde. Jedes Land hat hier beim AA (Auswärtiges Amt) eine eigene Seite mit Reisehinweisen.
Die hier aufgezeigte Herangehensweise an die Wiedereinreise nach Deutschland lässt sich aber auf die Ausreise in den Urlaub übertragen. Nach einer halben bis maximal einer Stunde Studium nach der hier beschriebenen Leseweise ist man so auf dem neuesten Stand und kann problemarm in den Urlaub. Auf zur Webseite des AA:
Titel und Untertitel kündigen es bereits an: Reisebeschränkungen, Testpflicht, Nachweispflicht, Quarantänepflicht und die Pflicht zur digitalen Einreiseanmeldung.
Die Lust auf eine Urlaubsreise wird nicht gerade befördert.
Im folgenden Text werden die Reisebeschränkungen gleich zu Beginn verbal erweitert: „EU-weit“, also mehr davon. Hilfe naht nirgends, nur der Hinweis man habe sich „im Einzelnen“ zu informieren, was die Sache auch nicht übersichtlicher macht.
Wobei ich betonen möchte: wenn man sich alles „im Einzelnen“ durchliest, findet man am Ende das berühmte Licht am Ende des Tunnels.
Dann der Tiefschlag für die Reisepläne: „Eine Einreise aus anderen Staaten ist nur für vollständig geimpfte Personen […] möglich.“ Was „jeder Zweck“ sein mag, geht erstmal unter. Diese Nennung eines “Zwecks“ ist ein Kunstgriff, eine Relativierung, die es erst möglich macht, den Satz so strikt wirken zu lassen, und trotzdem rechtlich korrekte Informationen zu liefern.
Die weiteren Relativierungen verwirren weiter. Die gefühlten Einreise-Voraussetzungen werden mehr und mehr, und die Reise scheint unmöglich.
Aber es kommt noch dicker: Beförderungsverbote aus Virusvarianten-Gebieten! Und die „Ausnahmefälle“ von oben reduzieren sich zu „eng begrenzten Ausnahmefällen“.
Und was ist mit: Virusvarianten-Gebiet? Was ist das überhaupt? Sind in Zeiten von Omikron nicht alle Länder Virusvarianten-Gebiete?
Richtig.
Das ist der springende Punkt, denn deshalb gibt es solche Gebiete nicht mehr.
Schreibt auch DIE WELT:
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Der Link „Die Liste der Virusvarianten-Gebiete wird auf der Webseite des Robert-Koch Instituts veröffentlicht“ müsste eigentlich heißen: „seit 03.03.22 und aktuell gibt es keine Virusvarianten-Gebiete mehr. Hochrisiko-Gebiete übrigens auch nicht.“ Aber das wäre wohl Zuviel verlangt, diese erheblich hilfreiche Information bereits auf der Seite des AA zu veröffentlichen.
Merke, wer sich tapfer durch die Links klickt wird mit wertvollem Wissen belohnt: die Beförderungsverbote, die prominent und drohend auf der Webseite stehen, gibt es gar nicht mehr — mangels Virusvarianten-Gebieten.
Ein erster Punkt kann von der Einreise-Checkliste. Und weil wir gerade beim Streichen von Punkten sind:
Die harte Einschränkung der „Einreise aus anderen Staaten [die] nur für vollständig geimpfte Personen […möglich ist]“ betrifft uns als Europäer (und einige andere) ebenfalls nicht. Denn gemeint ist die Staatsangehörigkeit und nicht das Reiseland. Das wird aber charmanterweise erst im Abschnitt „Beförderungsverbote“ erläutert…
Da kommt aber noch mehr:
Die (Reisenden gut bekannte) digitale Einreiseanmeldung, die noch einiges an Mühe und Arbeit bereiten wird, so wie sich das anhört.
Moment, nein, Virusvarianten-Gebiete? Hochrisiko-Gebiete? Gibt es doch gar nicht mehr. Das heißt, die einreiseanmeldung.de gibt es auch nicht mehr? Richtig. Entfällt. Dritter Punkt von der Liste.
Sicherheitshalber ein Klick auf den Link. Die einreiseanmeldung.de ist noch online. Was bedeutet das?
Virusvarianten-Gebiete, Hochrisiko-Gebiete, Risikogebiete… Muss man vielleicht doch noch …?
Ein weiterer Klick auf das „Risikogebiet“, (der Link hat übrigens das gleiche Ziel wie der Link bei den Beförderungsverboten) verschafft endlich Klarheit:
Es gibt keine Risikogebiete mehr.
Damit die Verunsicherung nicht zu groß wird, wird diese Änderung (ebenfalls seit dem 03.03.2022, was aber nicht leicht zu erkennen ist) nicht zu laut herausposaunt, sondern im Fließtext zwischen „dynamischen Infektionsgeschehen“ und “Hochrisiko- oder Virusvarianten-Gebiet“ eingebettet:
Zwischenstand: 70% des bisherigen Textes auf der Webseite behandeln Regularien, die seit zwei Monaten nicht mehr gelten…
Und knapp die Hälfte der Punkte auf der Einreise-Checkliste sind schon wieder verschwunden. Weiter im Text:
Nun zum ersten Mal ein paar echte Vorschriften, die das Reisen mühsam und beschwerlich machen — nicht dass ich das vermisst hätte…
Eine „allgemeine Verpflichtung“ bedeutet ziemlich sicher etwas anderes als eine „Verpflichtung“, dass heißt, hier ist eine weitere Lücke zu vermuten, wenn auch nicht erkennbar.
Dann kommt die Verpflichtung zum PCR-Test bei Einreise aus Virusvarianten-Gebieten — na gut, das kennen wir jetzt schon, die Pflicht zum PCR-Test entfällt mangels Virusvarianten-Gebieten also. Nicht dass ein Antigen-Test schöner wäre. Allenfalls günstiger.
Dann wird darauf hingewiesen, dass die Nachweispflicht auch für Transit-Reisende gilt. Meine Erfahrung sagt anderes: bei einer EU-Binnen-Reise, einer europäischen Reise und bei einer außereuropäischen Reise wurde ich beim Umsteigen, egal wo, kein einziges Mal ernsthaft kontrolliert. Willkommen im System: zum Duty-free-shoppen da lang…
Auch DIE WELT erkennt da einen Trend:
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Das Kontrollieren wurde so wirksam an die Fluggesellschaften ausgelagert (die Nachweise „müssen dem Beförderungsunternehmen vor der Reise zur Überprüfung vorgelegt werden“), dass in Deutschland praktisch keine Kontrollen mehr erfolgen (brauchen — so die Logik). Denn ohne die von deutschen Behörden geforderten Unterlagen gibt es keine Bordkarte.
(Darauf anlegen würde ich es aber nicht, außer am Flughafen ist genügend Zeit für einen hektischen Antigen-Schnelltest oder was sonst benötigt wird.)
Den Punkt EU-weite Reisebeschränkungen streichen wir daher, der Punkt Test- und Nachweispflicht wird aber als wichtiger Punkt fett markiert.
Über die Hälfte der Punkte sind gestrichen:
Es folgt ein längerer Abschnitt über die
Die Sache mit den Virusvarianten-Gebieten scheint irgendein running-gag der Autoren beim AA zu sein, oder dient schlicht dazu die Textmenge aufzublähen. Egal, wir wissen, hat sich erledigt.
Die Kann-Regelung des „behördlichen Anordnen-Könnens“ dagegen könnte sich im Einzelfall als unangenehm erweisen, ist aber aufgrund der nicht mehr stattfindenden Kontrollen sehr unwahrscheinlich.
Den dann folgenden langen Teil „für Geimpfte“ überspringe ich jetzt mal, das ist mir zu mühsam, und wer sich ordnungsgemäß hat impfen lassen erfüllt auch automatisch alle dort aufgeführten Anforderungen.
Der Punkt ist darüber hinaus auch nicht entscheidend, da eine fehlende Impfung hier mit einem Test kompensiert werden kann. Wir streichen den Punkt “Geimpfte“ ein zweites Mal:
Weiter:
Dieser Punkt ist interessant bis heikel.
Denn die Aussage scheint eindeutig nicht eindeutig zu stimmen. Die Politik hat hier einiges an Chaos angerichtet mit der Verkürzung des Genesenen-Nachweises auf 90 Tage. Der vom AA angegebene Link auf das RKI führt zu der Aussage, dass die Vorgaben „seit 19.03. außer Kraft“ seien. Also nein. Dort wird dann weiter auf §22a IfSG verwiesen, wo die 90 Tage-Frist im Gesetz genannt wird. Also doch.
Meine tatsächlich geflogene Erfahrung sagt: auch nach dem 19.03. und nach über 90 Tagen Genesung gibt es trotz §22a IfSG sowohl für den Flug nach Deutschland, als auch für den Anschlussflug in Deutschland eine Bordkarte. Von der hier sehr gewissenhaften Lufthansa. “Dank” sog. Genesung übrigens sogar ohne PCR- und/oder Antigen-Schnelltest.
Das reicht mir, um die Gültigkeit der Regelung in Frage zu stellen, und den Punkt Test- und Nachweispflicht wieder als normal (nicht fett) zu markieren. Soweit ich weiß, ist dies der europäischen Gültigkeit von 180 Tagen zu verdanken. Im Rahmen des Möglichen erfreulich.
DIE WELT geht hier sogar weiter als ich und stellt die Rechtmäßigkeit grundsätzlich in Frage:
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Ein dickes Hindernis für Urlaubsreisen bleibt noch nach: die Quarantäne! Zwei Wochen Urlaub und anschließend 14 Tage Quarantäne.
War lange — ist aber glücklicherweise nicht mehr, Stand der Dinge:
Die Virusvarianten-Gebiete sind ja einfach nicht aus den Texten der Behörden zu kriegen, scheint es. Auch nicht, obwohl die aktuelle Coronavirus-Einreiseverordnung tag-genau mit dem Ende der Ausweisung von Virusvarianten-Gebiete zusammenfällt. Es wird dort sogar weiter explizit Bezug darauf genommen:
Die Quarantäne-Vorschriften insgesamt erledigen sich dann aber mit dem Satz: „Die Quarantäne endet automatisch, wenn die Einstufung des betroffenen Landes als Hochrisikogebiet oder Virusvariantengebiet aufgehoben wird“.
Wir streichen auch den Punkt Quarantäne von der Checkliste.
Die
spar ich mir jetzt. Ausnahmen von Nicht-Pflichten sind hier unerheblich…
Und damit sind wir unten auf der Webseite des AA angekommen. Ein letzter Blick zum Abschied:
Nein wirklich? Virusvarianten-Gebiete? Die können es einfach nicht lassen…
Was bleibt?
Die Test- und Nachweispflicht, wobei das und ein oder ist, und kein und: Impfpass oder negativer Testnachweis oder Genesenen-Nachweis (und dieser mit 180 Tagen Gültigkeit auf Flügen).
Da der Punkt aus der hier betrachteten Webseite nur undeutlich hervorgeht, sicherheitshalber noch ein Besuch auf der verlinkten Webseite des Bundesgesundheitsministeriums mit dem charmanten Titel
Dort heißt es:
Fazit: Reisen ist problemarm möglich — und unbedingt empfehlenswert
Benötigt werden Impfpass oder negativer Testnachweis oder Genesenen-Nachweis (mit 180 Tagen Gültigkeit auf Flügen) und etwa eine Stunde gründliche Vorbereitung für die Hinreise. Oft gibt es hier Formulare (in der englischen Version oft passenger locator forms genannt) auszufüllen.
Was noch fehlt, ist möglicherweise etwas Fernweh. Aber auch hier gibt es Abhilfe:
Ein paar Anekdoten und eigene Eindrücke aus den Reisen, bei denen ich die obigen Erkenntnisse gewonnen habe:
Italien — Juli 2021
Eine Kontrolle auf der Hinreise fand überhaupt gar nicht statt.
Die Kontrolle auf der Rückreise war streng aber wirkungslos. Wir haben das auf dem Hinweg nicht abgegebene Einreiseformular als Ausreiseformular verwendet. Und der Test war eigentlich mehr als abgelaufen (war vom Hinflug)…
London — September 2021
Diese Reise war tatsächlich etwas schwieriger zu organisieren.
Genau genommen war es zu dieser Zeit die Nagelprobe, ob man überhaupt noch reisen kann. Es gab im Herbst sowohl in England als auch in Deutschland umfangreiche Test- und Quarantäneregeln. Je 10 bzw. 14 Tage. Die einzige Lücke, gedacht für Flugzeugcrews, Spediteure im Ärmelkanal und dergleichen, war die für arbeitsbedingte Grenzpendler (die werden auch oben auf der Webseite des AA erwähnt): erlaubt war hier ein Aufenthalt von max. 23:59 Stunden im Land. Wir waren 23:45 Stunden in London…
Eine Kontrolle auf der Hinreise fand fast nicht statt.
Die Kontrolle der “Passenger Locator Form“ (ausgedruckt immerhin vier DIN-A4-Seiten lang) beschränkte sich auf das Blättern von Bordkarte und Testresultat soweit, bis oben links auf der ersten Seite der „Status: Green“ zu erkennen war:
Die Kontrolle auf der Rückreise war streng und gnadenlos. Der Test vom Hinflug war praktischerweise (72h Gültigkeit:-) noch gültig. Aber British Airways ist die 24 Stunden-Ausnahme von einreiseanmeldung.de nicht nur unbekannt, sondern vor allem egal. Auch die englischsprachige Version der offiziellen deutschen Seite mit der Nennung dieser Ausnahme kommt nicht gegen die konzerninternen Vorgaben an…
Die Bundespolizei hingegen wusste davon, und ließ uns ohne Vorzeigen der erzwungenen Einreiseanmeldung wieder ins Land.
Im System waren wir trotzdem, und so stellte uns das Gesundheitsamt Hamburg etwa eine Woche lang nach, bis man dort die 24-Stunden-Ausnahme nach §6 Abs. 1 Punkt 6 der “Verordnung zum Schutz vor einreisebedingten Infektionsgefahren in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaEinreiseV)“ auch kennen lernte und uns in Ruhe ließ.
Mühsam? Ja, etwas, aber uneingeschränkt lohnenswert!
Cape Town — Anfang 2022
Mit dem Konzept einer „Pflicht“ kommt man hier einfach nicht weit. Und das sage ich nicht gesellschaftspolitisch heikel als Europäer über Afrika — so reden die Johannesburger über die Kapstädter.
Eine Kontrolle auf der Hinreise fand mit äußerster Präzision statt. Inklusive hektischem Ausfüllen der Einreiseformulare in die Schweiz (wg. Umsteigen in Zürich…) durch etwa ein Drittel der Passagiere und uns.
In Kapstadt wurde die Halle der Passkontrolle sehr sorgfältig vor Überfüllung geschützt — einfach in dem man alle neuen Einreisenden in den proppevollen (!) Bussen vor der Tür warten ließ. Es war trotzdem ein herzliches Willkommen.
Eine Kontrolle auf der Rückreise fand ausschließlich online und danach überhaupt nicht mehr statt. Die Voraberfüllung des Nachweispflicht mittels Upload erledigte das. Keine weiteren Kontrollen danach.
Na gut, nach dem Ausreiseformular wurde in Kapstadt noch gefragt — aber gefragt, nicht gefordert, wohlgemerkt.