Auf dem Weg zum Verfassungs­gericht — Teil 4 von 8: Eilantrag und Folgen­abwägung

Verfassungsbeschwerde für Dummies¹ — ein Echtzeit-Lehrgang in der Wirklichkeit mit ungewissem Ausgang — Stand 27.03.2021

Christian Hannig
12 min readAug 2, 2020
Dicke Bretter bohren ist angesagt — Ein schönes Ergebnis der Bildsuche ‘Dicke Bretter bohren’. — Quelle: Tübinger Liste, eigentlich hier — dort jedoch ohne das Bild, dieses ist alleine hier zu finden.

¹ Dummies meint natürlich nicht uns Bürger, sondern bezieht sich auf die berühmte Ratgeber-Serie für Anfänger von Allem —

[UPDATE 04.01.21]: Nach der Beschäftigung mit dem Thema Corona-Epidemie in Form von Ar­tikeln über die Medien, über die Politik, über die Maßnahmen und die möglichen Lösungen sowie über die Aspekte Kulturkampf um die Maske, Grundrechtseinschränkungen und die völlig vergessene Kreuzimmunität habe ich schon länger aufgehört nur zu lesen, zu diskutieren, zu demonstrieren und ansonsten haupt­säch­lich warten, sondern werde selber gegen die ver­fas­sungs­wid­rig­en Teile der Maß­nahmen klagen. Mit Fertigstellung von Teil 5 ist klar: dies ist der Lockdown, die Mas­ken­pflicht und weitere Maßnahmen — und, wenn es mir gelingt, auch Teile des IfSG! [ENDE UPDATE]

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Was bisher geschah

Alles über die Absicht, den Zweck und Aufbau sowie Struktur der Artikel steht in Teil 1. Bitte dort nachsehen.

In dieser Serie gibt es keine Rosinen. Die Artikel sind nur in der beab­sicht­­igt­en Reihenfolge sinnvoll zu lesen. Nochmal als Warnhinweis:

Ich erhebe hier keinen Anspruch auf gute Lesbarkeit.

Lesbarkeit überhaupt wird schon ein Erfolg sein: das Verstehen und Übersetzen der in ‘Juristendeutsch’ verfassten Quellen ist anspruchsvoll genug.

Bisher entstandene und künftige Artikel:

Teil 6 wird weiter aufgeteilt in:

Die verwendeten Quellen wieder zu Beginn.

Quellen in diesem Artikel:

¹ Einstweiliger Rechtsschutz — Erläuterungen des Bundesverfassungsgerichts auf seiner Webseite

² 1 BvQ 28/20 — Ablehnung eines Eilantrags gegen Corona-Maßnahmen am 10.04.2020

³ Klausurlösung für einen Eilantrag [PDF] aus der Materialsammlung von Prof. Gerhard Robbers, Institut für europäisches Verfassungsrecht, Universität Trier

Gesetzestexte (die jeweiligen Pargraphen) sind jeweils im Text genannt und dort verlinkt. Weitere Fußnoten in den Absätzen sind mit etc. gekennzeichnet und werden gleich im Anschluß erläutert oder weiter ausgeführt.

Aufbau dieses Artikels

In diesem Artikel geht es um das auch Eilantrag genannte An­trags-Verfahr­en auf einstweiligen Rechtsschutz und die besondere Art der Entscheidung:

  1. Der Eilantrag
  2. Die Folgenabwägung

1. Der Eilantrag

Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus:

“Eine einstweilige Anordnung ist eine vorläufige Regelung. Sie soll die Wirk­sam­keit und Umsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgericht­lichen Ent­scheidung in der Hauptsache sichern, insbesondere den Eintritt irreversib­­ler Zustände ver­hindern. […]

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht erforderlich, dass zum Zeit­punkt der Antragstellung bereits ein Verfahren in der Hauptsache an­häng­­ig ist. Es reicht aus, dass nachfolgend ein Hauptsacheantrag gestellt werden kön­nte, der nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich un­begründet wäre. Solch ein isoliertes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird un­ter dem Aktenzeichen „BvQ“ geführt; im Übrigen teilt ein Antrag auf Erlass einer einst­weiligen Anordnung das Aktenzeichen des Hauptsacheverfahrens. Ist bereits ein Hauptsacheverfahren anhängig, kann eine einstweilige Anord­nung auch von Amts wegen ergehen.

— Quelle (siehe auch ¹ oben): Einstweiliger Rechtsschutz

Ein Eilantrag ohne Hauptverfahren, also ein isolierter Eilantrag wäre also die schnellste Möglichkeit, ein Verfahren vor dem Bundes­verfas­sungs­gericht zu eröffnen. Das halte ich — in meinem Fall — für nicht ziel­führend.

Schon wieder so ein ‘ unzulässig oder offensichtlich unbegründet’. Fürcht­er­lich! Die Suche nach dieser Phrase führt fast ausschließlich zu Ergebnissen aus Asylrechtstreitigkeiten.

[UPDATE 19.09.20]: *Beantwortete* FRAGE: was bedeutet das offensichtlich hierbei denn genau?
— ‘offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt’ und bedeutet, ‘daß auch die Durchführung der Hauptverhandlung keine neuen Erkenntnisse tatsächlicher oder rechtlicher Art erwarten läßt, die das gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen könnten.’ — Quelle Hiermit ist auch die zweite OFFENE FRAGE bei *¹⁵ beantwortet, die ich der Einfachheit halber gelöscht habe [ENDE UPDATE]

Eine einstweilige Anord­nung kann auch von Amts wegen ergehen. D.h. auch das Gericht selber kann von sich aus sagen, dieses und jenes muss jetzt erfolgen, damit nicht Tatsachen geschaffen werden, die hinterher im Haupt­sache­verfahren als verfassungswidrig erklärt werden, die aber nicht mehr rück­gängig zu machen sind.

Wichtig ist, daß hier punktuell das Subsidiaritätsprinzip ‘ausgeheb­elt’ wer­den kann:

Damit ein Hauptverfahren erfolgreich begonnen werden kann, ist der Ins­­tanz­enweg zu absolvieren, und seine Ergebnisse sind abzuwarten. Droht jedoch — wie oben beschrieben — das Eintreten von irreversiblen Tat­sachen, kann der Eilrechtsschutz auch schon vorher beantragt werden, ohne daß dies an dem Grundsatz der Subsidiarität scheitern würde.

Weiter das Bundesverfassungsgericht:

“Nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz setzt der Erlass einer einstweil­­ig­en Anordnung voraus, dass dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinder­­ung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum ge­mein­en Wohl*⁴ dringend geboten ist. Der Prüfungsmaßstab ist daher ein and­er­er als im Haupt­sache­verfahren.*⁵ ¹ [Link im Originaltext]

*⁴ Das gemeine Wohl ist im Alltagsdeutsch wohl eine Stilblüte, aber ich will ja hier Juristendeutsch übersetzen. Also: das Wohl der Allgemeinheit.

Erstaunlich finde ich, daß hier auch die drohende Gewalt aufgeführt wird. Der Rahmen der Begründung erstreckt sich somit bis hin zu Unruhen im Land!

*⁵ Im Eilrechtsschutz wird anders bewertet als im Haupt­sache­ver­fahr­en. Daher lässt ein Erfolg im Eil­antrag noch keine Rückschlüsse auf den Er­folg im Hauptverfahren zu. Eil- und Hauptsacheverfahren gelten als zwei ver­s­chie­de­ne Rechts­wege.

Prof. Robbers vom Institut für Europäisches Verfassungsrecht schreibt dazu:

“Grundsätzlich gilt, dass durch die einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf, da durch die einstweilige Anordnung nur eine Entscheidung zur vorläufigen Sicherung und Regelung herbeigeführt werden soll.”

— Quelle (siehe auch ³ oben): Materialsammlung von Prof. Gerhard Robbers

Weiter im Text des Bundesverfassungsgerichts:

Entscheidend ist nicht die Erfolgsaussicht im Haupt­sache­verfahren, sondern eine Folgenabwägung: Die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, aber die Hauptsache Erfolg hät­te, werden gegenüber den Nachteilen abgewogen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Hauptsache aber keinen Erfolg hätte.*⁶ Etwas anderes gilt nur, wenn ein Hauptsacheverfahren von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbe­gründet ist; dann kommt der Erlass einer einst­weiligen Anordnung von vornherein nicht in Betracht. […]

“Eine einstweilige Anordnung kann grundsätzlich alles anordnen, was zur vor­läuf­igen Regelung dringend geboten ist.*⁷ Daraus folgt auch, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bereits auf die mit der Haupt­ache begehrte Maßnahme gerichtet sein darf.*⁸ Ausnahms­wei­se ist dies doch möglich, wenn der Rechtsschutz sonst möglicherweise zu spät käme und dem An­trag­steller kein ausreichender Rechtsschutz in anderer Weise gewährt werden kann*⁹. […]

Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigen sich mit der Ent­scheid­ung über die Hauptsache. […]” ¹

*⁶ Die Folgenabwägung ist das wesentliche Entscheidungskriterium im Ver­fahr­en für den einstweil­igen Rechtsschutz. Erfolg und Niederlage des Haupt­sache­verfahrens werden ‘gleichberechtigt’ nebeneinander gestellt und mit Erfolg und Nieder­lage des Eilantrags durch­ge­spielt, d.h. in ihren Folgen ge­gen­einander abgewogen. Siehe Kapitel 2. Dort wird allerdings noch die Ein­schränkung “bei offenem Ausgang der Verfassungsbeschwerde” [im Zitat nach *¹⁴] gemacht.

*⁷ Die einstweilige Anordnung kann grundsätzlich alles anordnen. Das ist mal eine Ansage! Aber wir erinnern uns an eine wesentliche Ein­schränk­ung hierzu (siehe Artikel Teil 1): “Grundsätzlich gibt es auch keinen […] ver­folg­bar­en Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers.”

Ausgenommen von der Aussage, daß alles angeordnet werden kann, ist damit ein bestimmtes Handeln der Politik. Also zumindest grundsätzlich

*⁸ Warum aus dem vorhergehenden Satz auch folgt, — und wieso ‘auch’(?) — dass ein [Eil-]Antrag nicht bereits auf die mit der Haupt­ache begehrte Maß­nahme gerichtet sein darf, erschließt sich mir überhaupt nicht.

*⁹ Ist aber auch nicht so wichtig, denn hier kommt bereits die Ausnahme zur Regel!

2. Die Folgenabwägung

Folgenabwägung in der Rechtsprechung.

Oben haben wir gelesen: ‘Entscheidend ist nicht die Erfolgsaussicht im Haupt­sache­verfahren, sondern eine Folgenabwägung: Die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, aber die Hauptsache Erfolg hät­te, werden gegenüber den Nachteilen ab­ge­wog­en, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Hauptsache aber keinen Erfolg hätte.’

Dies sieht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so aus: (Ein Beispiel aus einem Verfahren gegen Corona-Maßnahmen im April)

“Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. […]

Die Voraussetzungen zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung lieg­en nicht vor.*¹⁰ […]

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem Inhalt, […] die Regelung […] zur Bekämpfung des Corona-Virus […], wel­che Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften untersagt, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen. […]

Das vollständige Zurücktreten des Grundrechts der Glaubensfreiheit in Ge­stalt der ungestörten gemeinsamen Religionsausübung hinter das kollidierende Grund­recht auf Leben beziehungsweise auf körperliche Unversehrtheit hält der Antragsteller für unverhältnismäßig. […]

Der auf eine vorläufige Außervollzugsetzung […] der Corona-Verord­nung gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.*¹¹

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am Rechtsschutzbe­dürf­nis.*¹² […]

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbe­gründ­et.*¹³ […]”

Quelle (siehe auch ² oben): 1 BvQ 28/20 — Ablehnung eines Eilantrags gegen Corona-Maßnahmen am 10.04.2020

*¹⁰ Juristendeutsch in seiner charmantesten Ausprägung: Der Antrag wird abgelehnt. Die Voraussetzungen lieg­en nicht vor. — Irritiert mich wahr­schein­lich nur, weil ich kein Jura studiert habe. Eine klare Ansage, warum also nicht auch gleich am Anfang.

*¹¹ Der Antrag hat keinen Erfolg. Ist das eine Wiederholung oder eine Detail­lierung?

*¹² + *¹³ Der Antrag ist zulässig, jedoch unbe­gründ­et. Alltag für einen Jur­is­ten, Achterbahnfahrt aus meiner Sicht.

“a) Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streit­fall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus ein­em anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei ha­ben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriff­en­en Ho­heits­akts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu blei­ben*¹⁴, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als unzu­läss­ig oder offensichtlich unbegründet […]. Bei offenem Ausgang der Ver­fas­sungs­be­schwer­de sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einst­weil­ige Anord­nung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige An­ord­nung erlassen würde, der — hier noch zu er­heb­en­den — Verfassungs­be­schwer­­de jedoch der Erfolg versagt bliebe […].

b) Die noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre, soweit hinsichtlich des […in] der Corona-Verordnung verankerten Verbots von Zusammenkünft­en in Kirchen der Antragsteller selbst betroffen ist, zumindest nicht von vorn­­her­­ein unzulässig oder offensichtlich unbegründet.*¹⁵ […]” ²

*¹⁴ Die Gründe haben außer Betracht zu bleiben. Wie oben gelernt. Die Folgenabwägung kümmert sich um anderes. (und übrigens auch hier wieder mit der Einschränkung ‘grundsätzlich’!)

*¹⁵ Hier sehe ich mal einen Hinweis für die Bedeutung, daß ein Antrag offen­sichtlich unbegründet sei: dieser Antrag ist zulässig, er ist inhaltlich gut be­gründet, also nicht offensichtlich unbegründet.

Weiter in der Begründung:

“Daher ist über den Antrag auf einstweilige Anordnung aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden […]. Dabei müssen die für eine vorläu­fi­ge Regelung sprechenden Gründe so schwerwiegend sein, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar machen. Bei der Folgenabwägung sind die Auswirkungen auf alle von den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu be­rück­sichtigen, nicht nur die Folgen für den Antragsteller*¹⁶ […].

aa) Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte eine Ver­fas­sungs­be­schwer­de des Antragstellers Erfolg, wären Heilige Messen, an deren Teilnahme es dem Antragsteller vor allem geht, zu Unrecht untersagt worden. Der Antrag­stel­ler legt […] nachvollziehbar dar, dass die gemeinsame Feier […] ein zen­tral­er Be­stand­teil des Glaubens ist […]. Daher bedeutet das Verbot dieser Feier einen über­aus schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreih­eit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Das gilt nach den plausiblen Angaben des Antrag­stellers noch verstärkt, soweit sich das Verbot auch auf Eucharistiefeiern während der Oster­feiertage als dem Höhepunkt des reli­giös­en Lebens der Christen er­streckt.*¹⁷

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwer­de Erfolg, wäre dieser überaus schwerwiegende und nach dem Glaubensver­ständ­nis des Antragstellers auch irreversible Eingriff in die Glaubens- und Be­kennt­nis­frei­heit zu Unrecht erfolgt.*¹⁷

bb) Würde demgegenüber die Untersagung von Zusammenkünften in Kirchen wie beantragt vorläufig außer Kraft gesetzt und hätte die Verfas­sungs­be­schwer­de kei­nen Erfolg, würden sich voraussichtlich sehr viele Menschen zu Gottesdiensten in Kirchen versammeln*¹⁸; das gilt gerade über die Osterfeiertage. Damit würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Ein­richt­ung bei der Behandlung schwer­wieg­ender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach der maßgeb­lich­en Risiko­einschätzung des Robert-Koch-Instituts vom 26. März 2020*¹⁹ […] er­heb­lich erhöhen, obwohl dies durch ein Gottes­dienst­verbot in verfassungsrechtlich zu­lässiger Weise hätte vermieden werden können […]. Diese Gefahren blieben nicht auf jene Personen beschränkt, die freiwillig an den Gottesdiensten teilgenom­­men haben, sondern würden sich durch mögliche Folgeinfektionen und die Beleg­­ung von Behandlungskapazitäten auf einen erheblich größeren Personenkreis er­streck­en.*²⁰ ” ²

*¹⁶ Es folgt ein Paradebeispiel der Folgenabwägung.

Es wird nochmal darauf hingewiesen, daß es hier nicht (nur) um die Folgen für den Antrag­stel­ler geht, sondern um die Folgen für die Gesellschaft.

*¹⁷ Erste Hälfte der Abwägung:

Eilantrag 0 — Hauptsache 1

Folge: der überaus schwerwiegende Eingriff in ein Grundrecht wäre zu Unrecht erfolgt!

*¹⁸ Zweite Hälfte der Abwägung:

Eilantrag 1 — Hauptsache 0

Folge: erhebliche Erhöhung von Ansteckungen mit dem Virus, Erkrankungen und schlimm­sten­falls des Todes von Menschen!

*¹⁹ Rahmenbedingung für die Abwägung:

Nach der maßgeb­lich­en Risiko­einschätzung des Robert-Koch-Instituts vom 26. März 2020.

Die Maßnahmen, die im Zuge meiner — jeder — Verfasungsbeschwer­de an­ge­griffen werden, sind immer am Maßstab der Kenntnisse und Rahmen­be­ding­ung­en zu messen, die zum Zeitpunkt derselben vorhanden waren. Die wis­sen­schaftlichen Erkenntnisse sind heute weiter als Ende März. Gleichzeitig be­ab­sichtigt das Bundesverfassungsgericht auch, die “tatsächlichen Rahmen­be­ding­ungen” [aus 1 BvR 990/20 — Nichtannahme, zitiert in Artikel Teil 2, siehe dort *⁴²] zu prüfen. — Und diese weichen erheblich von den ver­öf­fent­licht­en Einschätzungen des RKI ab, wie ich zeigen werde.

Damit sind wir dann bei dem Artikel Was wäre die Lösung? [Link folgt] der ersten Serie und bei allen weiteren Artikeln dieser Serie!

*²⁰ Das Ergebnis der Folgenabwägung lautet somit etwa

Eilantrag 1:0 x Hauptsache 0:1 x RKI = Eilantrag 0

Weiter in der Begründung:

“cc) Gegenüber diesen Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG auch verpflichtet ist […], muss das grundrechtlich geschützte Recht auf die gemeinsame Feier von Gottesdiensten derzeit zurücktreten. […] Der überaus schwerwiegende Eingriff in die Glaubensfreiheit zum Schutz von Ge­sundheit und Leben ist auch deshalb derzeit vertretbar*²¹, weil die Verord­nung vom 17. März 2020 und damit auch das hier in Rede stehende Verbot von Zu­sam­menkünften in Kirchen bis zum 19. April 2020 befristet ist. Damit ist sicher­gestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwick­lung­en der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss.*²² Hierbei ist — wie auch bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung — hinsichtlich des im vor­lieg­en­den Verfahren relevanten Verbots von Zusammenkünften in Kirchen eine stren­ge Prüfung der Ver­hältnis­mäßig­keit vorzunehmen*²³ und zu unter­such­en, ob es an­gesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet wer­den kann, das Verbot von Gottesdiensten unter — gegebenenfalls strengen — Auflagen und mög­lich­erweise auch regional begrenzt zu lockern. […]

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.” ²

*²¹ Der überaus schwerwiegende Eingriff in die Grundrechte ist auch des­halb derzeit vertretbar weil die Verordnung bis zum 19. April befristet ist.

Das fand ich am 10.04. nicht tröstlich, am 19.04. nicht und heute schon gar nicht!

*²² Hier haben das Gericht und ich eindeutig andere Vorstellungen von dem, was eine Fortschreibung unter Berücksichtigung neuer Entwick­lung­en heißt. Urlaubsreisen ermöglichen und wochenlang über Tests an Flughäfen diskutieren, ist aus meiner Sicht nicht ausreichend.

*²³ Auch eine stren­ge Prüfung der Verhältnismäßigkeit vermag ich im Handeln der Politik überhaupt nicht zu erkennen.

Die Folgenabwägung ist mal ein interessantes Thema, aber mein Weg ist der über einen Eilantrag nicht. Ich sehe hierin keine Vorteile.

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Das Kleingedruckte

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HINWEIS (auch an die Trolle): natürlich bin ich da nicht direkt erreichbar! Die Nummer klingelt wonirgends, sie nimmt nur Sprachnachrichten entgegen. Diese und die Mails werde ich regelmäßig (vorsichtshalber mit dem Finger auf der Löschtaste) abrufen und mich zurückmelden.

Historie der Text-Überarbeitungen

  • 06.02.21 — Nummerierung der Artikelserie geändert: 8 Teile statt ‘[n]’
  • 04.01.21² — Artikelstruktur aufgrund der Aufteilung von Teil 6 in die Teile 6.1 bis 6.6 überarbeitet
  • 04.01.21¹ — Intro überarbeitet und Ziele der Verfassungsbeschwerde erweitert
  • 14.10.20 — Update Artikelstruktur, Teil 5 verlinkt
  • 26.09.20³ —Update Artikelstruktur, Teil 5 in Verfassungsrechtliche Bedenken umbenannt
  • 26.09.20²— Übersicht Bearbeitungsstand offener Fragen des Artikels zu Beginn eingefügt
  • 26.09.20¹ — Update bei Fußnote *¹⁵, zwei Sätze, und damit die letzte OFFENE FRAGE gelöscht.
  • 19.09.20 — Update bei Kapitel 1. Der Eilantrag, nach Fußnote eingefügt, eine OFFENE FRAGE beantwortet
  • 09.09.20 — Absatz unter Struktur des Artikel überarbeitet und Link eingefügt
  • 03.08.20² —Zitierung der ‘tatsächlichen Rahmen­be­ding­ungen’ im Text geändert
  • 03.08.20¹—Quellenangaben unter den Zitaten erweitert
  • 02.08.20² — Kleine Korrekturen am Text
  • 02.08.20¹ — Zweite Fassung online zum Korrekturlesen
  • 30.07.20 — erste Fassung

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